Älplerleben - die Träppligsuecher-Gruppe erinnert sich

Zum heutigen Thema Bauern- und Älplerleben treffen sich Hanni Rösti, Peter Fischer und Hanspeter Flück mit Rose-Marie Flück und Marianne Imfeld (Notizen).

Foto: Kaspar und seine Frau Beatrice Thöni zügeln mit ihren Tieren auf eine höher gelegene Weide.

Was sind Alpen? Peter Fischer hatte sich vorgängig Notizen gemacht. Das sind höher gelegene Weiden, welche mit dem Vieh genutzt wurden, während man unten im Tal heuen und für den Winter vorsorgen konnte.

Alpen auf Brienzerboden
In unserer Region gibt es die fünf Alpen Rotschalp und Planalp auf der Sonnseite und Axalp, Tschingelfeld und Hinterburg auf der gegenüberliegenden Seite. Die Schweibenalp gehörte früher der Stadt Bern und wurde von den Ringgenberger genutzt. Auch auf Tschingelfeld besassen diese Kuhrechte. Hanni, Peter und Hanspeter erinnern sich an die langen Kuhherden, welche «tschangglend» (mit Glockengeläut) frühmorgens durchs Dorf Richtung Alp zogen. Nach dem Reglement dauert die Alpzeit bis heute maximal 100 Tage.

«Es gibt Protokolle aus dem Jahr 1272 von der Alp Hinterburg. Daraus ist ersichtlich, dass man bereits damals dort "ds’Alp" ging», weiss Peter Fischer und informiert weiter: «Von der Alp Tschingelfeld gibt es ein Schriftstück in lateinischer Schrift, datiert aus dem Jahr 972. Dies deutet darauf hin, dass bereits zu dieser Zeit dort "galpet" wurde. Im Weiteren weisen diese Schriftstücke von der Alp Tschingelfeld darauf hin, dass früher die Alpen viel höher genutzt wurden, und die Waldgrenze und die Vegetation höher lag, als es heute der Fall ist. Es zeigt sich auch bei den obersten Hütten auf Tschingelfeld welche mit groben Baumstämmen gebaut wurden, welche unmöglich hinaufgetragen werden konnten und somit an Ort und Stelle gefällt und zum Hüttenbau verwendet wurden.»

Foto: Familie Fischer-Schild im Sommer 1937 im Tiefental. V.l.n.r.: Peter, Hans, Hansruedi, Hanni und Berta.

Als es noch keine richtige Strasse gab
Heute fahren viele Bauern tagsüber von der Alp runter ins Tal um zu heuen. Wie Hanni sich erinnert, führte früher keine richtige Strasse von der Planalp nach Brienz und der Weg musste zu Fuss bewältigt werden. Abends kamen die Älpler mit der letzten Bahn wieder hoch. Stähli Theus und sein Junior liefen während der Alpzeit sogar zu Fuss runter, um die Jodlerproben/-anlässe zu besuchen. Anschliessend ging es wieder mit einem Marsch hoch. Peter Fischer’s Ätti war im Gemeinderat und um die Sitzungen besuchen zu können, wurde etwas früher gemolken, damit er den Fussmarsch nach Brienz in Angriff nehmen konnte. Anschliessend nach der Sitzung ging es auch wieder zu Fuss hoch, damit er am nächsten Morgen wieder die Kühe melken konnte. Peter selber ging aber als Bub während der Alpzeit nie runter ins Dorf. Seine Mutter und seine Schwester Hanni mähten einen grossen Teil vom Tiefental mit einer «Sägessen» von Hand. Unterstützt wurden sie von Grossmann Franz, einem frühzeitig pensionierten Lokführer. Wenn er sich die Fläche des Tiefentals heute anschaue, werde es ihm bewusst, wie anstrengend diese Sommer waren. Und es sei für ihn heute nicht verwunderlich, dass seine Mutter bereits im Alter von 48 Jahre verstorben sei.

Foto: Erika Flück morgens beim Melken.

Von Käse, Fleisch und natürlichen Kühlschränke
Früher war es auch üblich, dass jeder Bauer Käse herstellte. Doch heute wird auf der Planalp nicht mehr «chääset», nur noch auf der Rotschalp, stellt Hanni fest. Zudem stand früher hinter dem Berghaus Planalp ein Spycher, sowie einer oberhalb der Egg. Chäslet wurde in der Huusstatt im Zigerhittli. Anfangs, wenn der Milchertrag gross war, wurde sogar 2 x pro Tag Käse hergestellt. Während der Zeit, als Fischer Peter ds’Alp ging, ergab der Sommer gut 100 Käselaibe, welche jeden 2. Tag gepflegt werden mussten.

Hanspeter erzählt von der Zeit, als er bei der Brienz Rothorn Bahn gearbeitet hat und eine Kuh verunglückte. Um an Obristen metzgen zu können, mussten grosse Fleischkörbe transportiert werden. Anschliessend gefüllt mit Fleisch, zugedeckt mit einem Tuch, wurden diese Körbe wieder runter nach Brienz transportiert. Bei Rägis in der Waschküche fand das «Uuswääggen» statt und das Fleisch wurde in diesem Keller gelagert. Durch den «Uusliiter» Zobrist wurde dann im Dorf ausgerufen, dass man bei Rägis Fleisch beziehen kann. Heute wäre es nicht mehr erlaubt, solches Fleisch zu verarbeiten, nicht mal als Hundefutter. Doch früher haben es die Leute geschätzt, wenn sie solche Fleischstücke erwerben konnten, sind sich die Träpplige einig.

Foto: Käseherstellung bei der Familie Flück im Greesgi.

Beim ehemaligen «Wieshuus», welches abgebrannt ist, war früher noch das Wiesbächli. Die Quelle entsprang Mitte Wies, floss bis hinters Haus und wurde durchs Haus umgeleitet. Dieses Wieshaus besass einen «Chaltchäller» (Bogenkeller) und das Bächli wurde als Kühlschrank genutzt. Auf der Alp diente der Brunnentrog oft als Kühlschrank und verderbliche Ware, wie u.a. Fleisch, wurde darin gelagert. Niemand sei daran gestorben. «Eher wenn man kein Fleisch gehabt hätte», meinte Hanspeter lachend. Hanni Rösti erwähnt auch die Zeit, als das Egghuus auf der Planalp von ihrer Familie genutzt wurde. Wenn die Mutter mal Créme gemacht habe, dann ging man zum Mühlebach, in welchem noch etwas Schnee lag und kühlte die Créme so lange, bis daraus beinahe Glacé entstand. Auch Peter erzählt, dass während der Alpzeit die «Schneepletscheni» dazu dienten, Nidle abzukühlen, um Anken herzustellen. Zudem weiss er von einer Quelle im Urserli, bei welcher das Wasser mit ca. 5° zum Boden rausfliesst. Dazu wurde immer Sorge getragen. Früher sei man dort nie vorbei, ohne auf den Boden zu knien, um von diesem kalten Quellwasser zu trinken, welches beim runter schlucken einem völlig weh tat. (Die Quelle «ds goldige Brinnelli» Richtung Rotschalp wurde beim Erstellen der Strasse leider vernichtet).

Foto: Der Geisshirt Fritz Zobrist posiert an Ofenbielen mit Edith Michel (Beckli Jost's Frou) vor einer kleinen Weidhütte.

Geissen
Salibiel wurde lange von Brienzern gemäht und gepflegt. Die Hütte dort ist heute im Besitz der Rotschalp. Die «Hewwchlupfle» wurden mit Seilen ins Dorni befördert, mussten aber ein paar Mal umgehängt werden, bevor sie das Ziel erreichten. Das untere Hüttli wurde von den «Geisselern» genutzt, eignete sich aber nicht zum Übernachten. Zuerst wurde der Salibiel durch ein Grossmann von Oberried, anschliessend von einem Wüthrich aus dem Emmental mit Geissen bestossen.

Ein Arzt riet Hanspeter als er noch ein Bub war, aus gesundheitlichen Gründen auf die Planalp zu gehen. Sie verbrachten viele Sommer im Hangi. Die Geissen zogen via Vorsessli, bis Rotschalp und danach zur Planalp, runter ins Dorf. Am nächsten Tag die gleiche Route in umgekehrter Richtung. Jedes Mal hat seine Mutter auf der Planalp eine Geiss davon genommen, damit sie Milch hatten, welche gut für Hanspeters Gesundheit war.

Die Träpplige staunen über ein Foto von Jossi auf dem Bort, was für abgenutzte Schuhe dieser trägt. Er sammelte morgens wohl gegen 100 Geissen ein, oben an jeder Gasse, bis zu Linder Viktori, welcher ein Bock besass (Nähe Suppenhaus) blies er das Horn und kannte alle mit Namen, bzw. Übernamen des Besitzers (z.B. Bitzer Schiisse) und er hatte eine grosse Verantwortung.

Zobrist Fritz war der letzte Geisshirt, danach waren Hanspeter und sein Bruder Willy, Orgeler Martin, Wirz Bruno und Brot Albi und Hanspeter zuständig für die Geissen. Morgens ging es in die Schule und nachmittags wurde zu zweit die Geissen gehütet. Nach dem Mittag gingen die Buben ins Unterdorf, bliesen beim Wels und Gummiiggel ins Horn. Weiter ging es die Alpgasse hoch, dort wurde wieder geblasen und dann gings in die Feldstrasse. So ging es wieder Dorf einwärts und auf der Steinerbrücke bliesen sie wieder ins Horn. Anschliessend ging es ins Dorni, später bis nach Ofenbielen. Nicht fehlen durfte ein «Zaaben», welches die Mutter in den Rucksack packte, dabei handelte es sich meist um Brot und Käse. Auch abends bei der Heimkehr wurde wieder überall ins Horn geblasen, damit die Geissen von den Besitzern abgeholt wurden.

Für so einen Nachmittag bekamen die Buben jeweils CHF 10.00 Lohn, also einen Fünflieber pro Bub, was zu dieser Zeit ein schöner Batzen war. Mit etwas Glück konnten sie mehrmals Ziegen hüten gehen und bei Wirz konnte dieser Lohn abgeholt werden. Bei der Heimkehr sassen Vater und Mutter oben auf der Treppe. «Schaut, wie viel Geld wir bekommen haben». Und sogleich wurde beraten, was man mit diesem Batzen alles kaufen werde. Um etwas zur Bank zu bringen reichte es nicht. Schuhe und Hosen waren nötig. Und nicht vergessen, für den Briensermärt sollte auch noch etwas bleiben.

Fädleni
Früher war es üblich, dass man auf der Alp auch Schweine hatte, um die Chäsmilch zur Fütterung zu nutzen und für Fleisch im Herbst vorzusorgen. Hanni erinnert sich, dass sie als Kind mit einer «Fädlimoore» zu Fuss von der Sperri nach Balm laufen musste. Unten angekommen war es «Fiiraabe» und die Sau machte keinen Schritt mehr. Dort fragte Hanni Anwohner, ob sie das «Fädli» im Holzschopf platzieren dürfe. Hanni lief dann nach Hause, damit das erschöpfte Fädli mit Ross und Wagen geholt und nach Hause geführt werden konnte. Auch Peter Fischers Familie hielten auf der Alp 4-5 Schweine, zusammen mit den Kühen. Diese Tiere waren aneinander gewöhnt und so war dies ein problemloses Zusammenleben. Der Weg nach oben war aber für diese Tiere immer sehr beschwerlich und heute werden diese mit Fahrzeugen transportiert. Zu Hause bei Hanspeter Flück hatten sie auch ein «Fädli». Dieses verrichtete sein «Geschäft» immer wieder im Brunnentrog, war also eine richtige «Soumoore».

Alpschweine wurden auf der Alp mit Chäsmilch gefüttert und wenn im Verlauf des Sommers weniger Milchertrag war, dann hat man ein Fass voll «Blacki» gekocht, gestampft und anschliessend den Schweinen verfüttert. Im Herbst wurden dann die Alpschweine gemetzgert und meist für den Eigenbedarf verwendet.

Was ass man während der Alpzeit?
Aus Kartoffeln gab es «Gschwelt und Gschwelt», Rösti «hindertsi-und-vordertsi», Mais und ab und zu Teigwaren. Heute essen die Leute drei Mal täglich und würden meinen, was sie da zu sich nehmen, stellen die Träpplige fest. Doch früher gab es immer noch «Zniini» und Zaaben» (an besseren Orten Zvieri), bevor es in den Stall ging. Nach dem Melken war es meist schon spät und so war der Hunger wieder da. Abends wurde Polenta gekocht und verstrichen und morgens gewürfelt und gebraten. Oder wenn ein Milchüberschuss bestand, schnetzelte man abends Brot, gab dieses zusammen mit der heissen Milch in einen grossen Emailhafen und das war das Znacht. Milchbrocken nannte man dies. Manchmal gab es Brot im Ggaggoo oder Haberbrii zum Zmorge.

Peter Fischer weiss von Meji Dütsch, dass diese früher «Blacken-Tanggel» gekocht haben. Er habe dies recherchiert und dabei erfahren, dass es sich dabei um ganz junge Pflänzlein handelt und offiziell geniessbar sei. Blacken waren im Lötschental übrigens die erste Gemüsepflanze und noch heute sieht man dort, dass in den Gärten Schmeiss-Blacken vorkommen. (Auch heute werden junge Nesseln, Soustiideller etc. gegessen)

Herzlichen Dank den Träpplig-Suecher, für diese spannenden Erinnerungen!

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War es wirklich so ganz anders?

Am Briensermärt erscheint bereits die vierte Broschüre Brienzer Dorfgeschichte mit grossartigen Fotos und spannenden Artikeln, herausgegeben von der Burgergemeinde Brienz.

Die 4. Broschüre ist gedruckt - Verkaufstart am Brienzermärt

Endlich ist sie da - die 4. Broschüre Brienzer Dorfgeschichte  und - wir haben eine Überraschung! Was? Das sehen Sie im Video. Viel Freude beim Schauen.

Der Waran und das Unwetter

«Das war für mich ein schöner Aufsteller!» Das schreibt uns Elisabeth Fuchs in einem Mail. Die erschütternden Nachrichten, die das Unwetter vom 12. August 2024 in Brienz mit sich brachte, die kennen wir. Daneben gibt es jedoch auch viele schöne Geschichten, solche von Zusammenhalt, Unterstützung und weitere, die erfreuen. Wie eben auch diese von Elisabeth Fuchs.

Geschichten vom Burgstollen

Beatrice Lauener ist die Enkeltochter von Gertrud Juillerat-Eggler vom Burgstollen. Sie hat uns einige Dokumente ihrer Grossmutter zukommen lassen und auch zwei Musikstücke der Kapelle Eggler, bei denen ihr Grossvaters Paul Juillerat am Klavier mitspielte. Viel Freude beim Lesen und reinhören.

Aus dem Leben von Werner Zysset

Es ist ein Nachmittag im März 2024, als Heidi Blatter und Zora Herren (Bericht) bei Mina und Werner Zysset-Leppin an den Küchentisch eingeladen werden. Werner ist vorbereitet auf unseren Besuch, auf dem Tisch liegen zwei Ordner mit Fotos und Dokumenten und auf einem Blatt hat er alle Kleinschreiner, die es 1951 in Brienz gab, aufgeschrieben. Wir zählen 29 Namen!

Drei Videos: Besondere Erinnerungen, erzählt von Werner Zysset (Jg. 1935)

Die Videos sind aufgezeichnet worden am 27. März 2024.  Werner Zysset ist im November 1935 geboren. Heidi Blatter und Zora Herren, vom Team Brienzer Dorfgeschichte, besuchten ihn und staunten, was Werner zu erzählen weiss. Viel Freude beim Schauen!

Das Video "Grossvater" dauert 8 Minuten, die beiden anderen knapp 2 Minuten.  

Alte Filmrollen gesucht

Sie haben Filmrollen mit Filmen von Brienz. Wir möchten das Archiv der Brienzer Dorfgeschichte bereichern mit alten Filmen und diese auch auf der Internetseite für die Brienzerinnen und Brienzer zugänglich machen. Sehen Sie sich im Video unten unseren Aufruf an:

Video: Anekdoten zum Schwandergässli

Kurt Wellenreiter (Jg. 1933) erzählt vom Schwandergässli. Das Video wurde aufgezeichnet am 31. Januar 2024.