Doktor Albert Kurz (1913 bis 1964)
Foto: Albert Kurz 1913 bis 1964
Am trüben ersten Samstag im neuen Jahr mussten die Brienzer ihren geliebten Doktor Albert Kurz auf den Friedhof begleiten. Weder Schnee noch Regen noch schwierige Wegverhältnisse hielten die Leute ab, ihren treuen Arzt auf dem letzten Wege zu begleiten, am Grabe dessen zu stehen, der so vielen wohltat in Not und Krankheit. Ein allzu kurzes aber reich erfülltes Leben wurde in der Kirche geschildert und alle Reden und auch das Musizieren sollten die trauernde Familie trösten und zugleich danken für das Wirken von Doktor Kurz.
Am 16. August 1913 in Bern geboren als erster Sohn des Albert Kurz und der bekannten Flüchtlingsmutter Gertrud, wuchs er auf mit einem Bruder und einer Schwester. Sein Vater war Gymnasiallehrer und später Rektor am Progymnasium. In schöner Gemeinschaft durfte er eine glückliche Jugend verbringen. In der Schule fiel der allseitig begabte Schüler auf. Mühelos bewältigte er sein Schulpensum.
Nach der Maturität entschloss er sich zum Medizinstudium. Er besuchte die Universitäten von Bern und Kiel. Nach bestandenem Staatsexamen erweiterte er sein Wissen als Assistent und Arztstellvertreter in Lützelflüh, Rheinfelden, Nidau und Ins. Sein reger Geist aber hatte sich daneben mit den Wissenschaften verschiedener Fakultäten befasst. Es war erstaunlich wie beschlagen er auf allen Gebieten war. Diese geistige Regsamkeit liess ihn bis in die letzten Tage schritthalten mit der schnell fortschreitenden medizinischen Wissenschaft. Seine rasche Auffassungsgabe erlaubte ihm ein ausserordentliches Wissen anzueignen, das ihn für alle: Politiker, Wirtschafts- und Verkehrsfachleute, Kunsthistoriker und Musiker zum sachkundigen und interessanten Gesprächspartner werden liess.
Zwei Episoden aus dem Leben des jungen Arztes waren wohl richtunggebend für unsern spätern Doktor, und stand wohl immer unter dem tiefen Eindruck seiner Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg: Im Dienste einer vom Roten Kreuz organisierten Aerztemission begab er sich während des deutschen Ostfeldzuges in die Sowjetunion. In den Lazaretten von Stalino kümmerte er sich um die Verwundeten der Schlacht von Stalingrad. Nach dem Kriege begab er sich verschiedentlich in humanitärem Auftrag ins kriegszerstörte deutsche Nachbarland. Zutiefst erschüttert kehrte Albert Kurz zurück, riesengross standen vor ihm die Leiden des jüdischen Volkes, die menschliche Schuld in dem fürchterlichen Kriegsgeschehen.
1948 übernahm Dr. Kurz seine Praxis in Brienz. Im gleichen Jahr verheiratete er sich mit Fräulein Rosmarie Hohl. Seine liebe Gattin wurde ihm im wahren Sinne des Wortes zur treuen Gehilfin. Sie war ihm in den ersten Jahren in der stets wachsenden Praxis eine grosse Stütze, wurde aber in der Folge immer mehr von ihren Mutterpflichten in Anspruch genommen. Ein reger geistiger Austausch bereicherte die beiden Ehegatten und strahlte in einen weitern Freundeskreis.
Bei der Ausübung seines Berufes fand Dr. Kurz bei den Patienten immer den Weg zum Menschen. Es ging ihm nicht nur um Therapie, immer fand er in Stunden der Not das richtige aufrichtende Wort. Seine Hingabe kannte keine Schonung, Er lebte ganz seiner Berufung. Sein Erscheinen im Krankenzimmer hatte schon beinahe eine heilende Wirkung. Kein Wunder, dass der überbeanspruchte Arzt im Spital Interlaken bei erneuter Gelbsucht fast zusammenbrach. Vergeblich rieten die Kollegen zu einer Nachkur. Doktor Kurz wollte heim zu seiner Frau und den vier Kindern in sein neu erbautes Haus, zu seinen Patienten. Frohgemut und, wie es schien, gut wieder hergestellt, nahm er seine Praxis wieder auf, und nun haben sein voller Einsatz und seine Gründlichkeit und den Helfer entrissen mitten aus unermüdlicher Tätigkeit.
Mit der Gattin und den vier noch so jungen Kindern trauert eine grosse Gemeinde um den Mann, der durch sein einzigartiges Wirken unvergesslich bleiben wird.
Anmerkung zu Getrud Kurz (15.03.1890 bis 26.06.1972):
Gertrud Kurz, die Mutter des Brienzer Arztes Albert Kurz, war landesweit bekannt als „Flüchtlingsmutter“. Sie setzte sich im zweiten Weltkrieg für eine menschlichere Flüchtlingspolitik ein. Sie erhielt verschiedene Ehrungen, unter anderem den Albert-Schweitzer-Preis 1965 und sie war die erste Frau, die 1992 auf einer offiziellen Schweizer Gedenkmünze abgebildet wurde.
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