Das ganze Dorf roch nach Käsekuchen
An Neujahr, so erzählt Hanspeter, gab es in der Familie zum Znacht «ddirr Biri mid Niidlen». Die gedörrten Birnen wurden gekocht, in kleine Stücke geschnitten und im Rahm eingelegt. Zum Neujahr gab es, wenn das Geld reichte, ein Pastetli. Ein bekanntes Essen zum Jahreswechsel war auch Züpfe und Hobelkäse. In der Altjahrswoche wurden «Chiechleni» gebacken und Krapfen hergestellt. Bei Peter gab es deshalb als Festmahl Krapfen mit einem Löffel «Niidlen». Mutter Flück stellte Waschkörbe voll Krapfen auf die Laube an die Kälte, bevor sie gebacken wurden. Auch die fertigen Krapfen bewahrte man in Harassen in einer Truhe auf der Laube auf. Der Bruder von Hanspeter «gschenntete» ab und zu nach der Schule Krapfen aus diesen Harassen. Fein säuberlich versuchte er dann, die entstandenen Lücken wieder zu schliessen. Die Mutter bemerkte aber das Fehlen trotzdem meistens.

Foto: Neujahrskarte aus dem Fotohaus H.C. Maeder
Am Palmsonntag fanden die Konfirmationen vom Dorf und an Ostern die der Auswärtigen statt. Die Gotte von Hanspeter kochte das Mittagessen für die Konfirmationsgesellschaft. So konnten auch die Eltern in die Kirche. Von seinem Götti, der Uhrmacher war, erhielt er als Geschenk eine alte Uhr. Eine schon getragene Uhr, die der Götti sorgfältig repariert hatte. Fredel will wissen, ob die Konfirmation ein Freipass für Ausgang, Alkohol und Zigaretten rauchen war. Hanspeter erinnert sich, dass sie schon früher beim Geissen Hüten im Dorni unter einem Strauch rauchten. Einer der Buben kaufte unterwegs ein Päckli Parisienne. Die Zigaretten schmeckten ihnen aber nicht und es wurde ihnen schlecht. Nach der Konfirmation probierte Hanspeter mal am Abend zu Hause in der Stube zu rauchen. Aber auch das machte ihm keine Freude und er warf die Zigarette kurzerhand in den Ofen.

Foto: Hanspeter Michel-Häsler (1935-2007) mit seinem Götti an seiner Konfirmation.
Der Karfreitag war einfach ein zusätzlicher Sonntag. Lange durfte man an diesem heiligen Feiertag nicht jassen. Er war bei den Reformierten aber nicht so bekannt. An Ostern gab es Ostereier, natürlich von den eigenen Hühnern. Die Kinder suchten Kerbeln, umwickelten die Eier damit und banden sie mit Fadenschlag fest. Später wurde diese Arbeit erleichtert, weil man die Eier in Nylonstrümpfe stecken konnte. Gekocht wurden die Eier in «Zibelleschinti». Als Osternestli dienten kleine Körbe oder Schuhschachteln, die ebenfalls mit Kerbeln oder auch Heu ausgepolstert wurden. Versteckt wurden sie draussen beim Dörrofen oder in einer Holzbeige. Im Nestli befanden sich Eier und ein Schoggihase. Hanspeter wollte seinen Hasen aufsparen und ihn später geniessen. Dieser geriet aber in Vergessenheit und erst als im Sommer der Schrank auf der Laube für die Feriengäste geputzt wurde, kam er wieder zum Vorschein. Stähli «Teuwsli» machte sich einen Spass daraus, seinen Töchtern die Nestli so zu verstecken, dass sie sie tagelang suchen mussten. Besuchte man den Ostergottesdienst? Nein, nicht alle. Die Eltern von Peter gingen aber zur Predigt. Man ging hin, um gesehen zu werden. Auch wurde innerhalb der Familie abgesprochen, wer an welchem Sonntag zur Predigt geht.
Am Ostermontag wurde gearbeitet. Die Schnitzler waren um einen zusätzlichen Tag zum Schnitzen froh. Einige Väter hatten am Nachmittag frei und die Zeit wurde zum Kartoffel setzen genutzt. So auch bei Fischers. Einmal wurde Peter von Besuch beim Pflanzen der Kartoffeln unterbrochen. So konnte er die 2. Hälfte Kartoffeln wetterbedingt erst zwei Wochen später setzen. Auf die Ernte hatte dieser Unterbruch allerdings keinen Einfluss. Am Ostermontag roch das ganze Dorf nach Käsekuchen. Hanspeter durfte während der Lehre bei Michel Noldi mit dem Anhänger bei Walzes einen Käsekuchen holen. Dieser wurde dann gemeinsam in der «Bbudiigg» zum Znüni gegessen. Peter Fischer erzählt, dass nicht alle einen eigenen Ofen hatten. Die Frauen stellten die Käsekuchen und den Guss in einem Häfeli bei Walzes vor der Bäckerei auf Holzregale. So viele, dass um die Mittagszeit der Backofen nochmals angefeuert werden musste. Peter erinnert sich, dass der Ofenboden nicht eben war und die Bleche mit «Holzspriisslenen» unterlegt werden mussten. Für das Backen eines Kuchens wurde zwanzig Rappen verlangt. Einmal wurde Hanspeter zu Schützes geschickt, um den Kuchen zu holen. «Ds Mattis» Buben sassen auf dem Hag und sagten zu Hanspeter: «Du bist kein Bäcker, wenn du den Kuchen nicht über Kopf tragen kannst.» Das liess sich Hanspeter nicht gefallen und zeigte, dass er das sehr wohl kann. Leider fiel dabei der Kuchen auf die Strasse. Nachdem er die gröbsten Steine entfernt hatte, machte er sich auf den Heimweg. Seiner Familie entging aber nicht, was da passiert war.

Foto: Inserat im "Brienzer", die Konditorei/Bäckerei Walz will an der Tradition mit dem Käsekuchen am Ostermontag festhalten.

Foto: Der Käsekuchen, das Resultat einer Lehrlings-Prüfung.
Die anderen kirchlichen Feiertage wie Auffahrt und Pfingsten wurden nicht so gefeiert. Wohl eher bei den Katholiken. Zum Mittagessen gab es manchmal ein besseres Essen, z.B. einen Braten.
Am Muttertag kaufte man der Mutter Flück einen kleinen Blumenstock bei Kunzes.
Den 1. August verbrachten die Familien Fischer und Flück meist auf der Alp. Peter während der ganzen Schulzeit im Urserli. Er erzählt mit Begeisterung von dem jährlichen Höhenfeuer auf der Burg. Ein Habker, der bei Fischer-Oppligers Knecht war, trug nach Feierabend mit dem Räf Äste und kleine Tannen vom Urserenwald bis unten an den Kamin. Von dort dann «arfelweise» hoch zur Burg. Auch die Schulbuben trugen kleinere Äste auf dem Gabeli zum Höhenfeuer. Wenn das Feuer dann brannte, wischte er die glühende Kohle durch den natürlichen Kamin im Felsen und diese flogen über die Fluh. Von Arvenegg aus hatte man eine wunderbare Aussicht bis zum Hirzel, Lungernsee und Zugersee. Hanspeter und seine Familie verbrachten den 1. August auf der Planalp. Am Abend versammelten sich alle auf der Nesselegg. Dort hatte man Äste für das Höhenfeuer bereitgelegt. Nach dem Niederbrennen des grossen Feuers zogen die einen ins Wirtschäftli und die anderen nach Hause. Die Kinder hatten auch schon Bengalische Zündhölzer und Schweizer Kracher. Peter erinnert sich, dass der grosse mutige Fischer Hansli ein Bengalisches Zündholz, in Form eines «Zuckerbrechlis», auf der Hand anzündete. Hanspeter und seine Geschwister erhielten Bengalische Zündhölzer vom Grosi von Oberried. Dieses arbeitete für das «Moos» und stellte zu Hause auf dem Stubentisch Feuerwerk her. Hanspeter verteilte mit dem Leiterwägeli die fertigen Waren im Dorf. Ab und zu half er auch gegen Abend die Fackeln entlang dem Quai anzuzünden. Auf dem Kohlplatz hielt jemand eine Rede. Später erinnern sich die Träpplige auch an einen Umzug vom Wiesplatz zum Löwen über den Quai zum Kohlplatz. Die Leute mit Geld gingen anschliessend auf den Lötschberg.

Foto: Jugendliche beim Aufschichten des 1. Augustfeuers Hangi, Lengenboden, Axalp.
Am Bettag waren die Zwetschgen reif und es gab deshalb Zwetschgenkuchen. Halloween ist bei uns erst seit kurzem bekannt und war früher kein Thema.
Auch als Feiertag bezeichnen wir in Brienz den «Briensermärt»! Die Väter hatten am Nachmittag frei und alle mussten zum «Strewwenen» antreten. Peter meist im Oberen Dorni. Von dort aus konnte man die Musik des Rösslispiels gut hören. Hanspeter musste die gleiche Arbeit im Graben bis unter die Fluh verrichten. Peter erinnert sich, dass sie im Graben und Burgerwald einmal fünf «Chlupfla Strewwi» zusammengetragen haben. Für das Laub im Burgerwald wurde Geld verlangt und der Förster Kobi Tägg musste dies absegnen. Erst nach getaner Arbeit und nach dem «Zaaben» durften die Kinder «z Märt». Peter erzählt, dass in der Zeit vor dem «Briensermärt» in der Bäckerei Walz Tag und Nacht Krapfen hergestellt wurden.Sogar am Sonntag wurde unter Mithilfe von Vertretern, Arbeitern und Lehrlingen Krapfen fabriziert. Diese lagerten dann in Harassen auf Walzes Laube.
Am 6. Dezember gingen die Jugendlichen «chleuslen» und an Weihnachten kam dann der Samichlaus mit Rute nach Hause. Die kleinen Kinder blieben aus Angst zu Hause. Am Abend des 6. Dezembers stellten die Kinder einen Schuh vor die Haustüre. Erich erinnert sich gut an Fischer Hänsel, der hatte einen grossen roten Mantel und einen langen Bart. Erichs Bruder Fritz, er war der Älteste der Abegglen Brüder, schlotterte regelrecht bei dessen Anblick. Bei Hanspeter kam auch ein Chlaus. Einmal klaffte sein Mantel auseinander und Hanspeter sagte zu seinen Geschwistern: Der Chlaus trägt die Schürze der Nachbarin Olga Wyss! Meist erhielt man ein Stück Lebkuchen.
An Weihnachten wurden die Flück Kinder auf die Laube geschickt. Der Vater holte das Weihnachtsbäumchen aus der «Bbuddiigg». Dieses hatte er Tage vorher aus dem Wald im Graben geholt. Die Mutter schmückte das Bäumchen mit allerlei Glitzer, bevor die Kinder gerufen wurden. Auch die Päckli lagen unter dem Bäumli. Gesungen wurden Weihnachtslieder, die die Kinder von der Mutter lernten. Auch die Nachbarn Hermann und Olga durften mit Flücks feiern. Bei Erich stand das Bäumli auf der Nähmaschine. So konnte man unten durchkriechen und von hinten die Schoggi ab dem Baum stibitzen. Es hatte sogar Schnapsfläschli! Bei Peter gab es nach dem Hirten ein feines Nachtessen, meistens Pastetli, nachher wurde in der Stube gefeiert. Am Tannenbaum hing bei ihnen auch «Gräbel» (Gebäck aus leichtem Biskuitteig) in verschiedenen Formen. Als Geschenke erhielten die Kinder Lebkuchen mit Fünflibern.

Foto: Elsbeth Steiner (Jg. 1961) bestaunt den Weihnachtsbaum.
Erich erhielt von seinem Götti jeweils ein Mutschli. Dieses kaufte ihm sein Ätti ab und das Geld steckte Erich ins Kassli. An Weihnachten wurde Erich zu seinem Götti geschickt, um «Nidle» zu holen. Ein Liter kostete damals 5 Franken. Dies wären heute etwa 50 Franken! Das Weihnachtsessen bleibt bei allen als Festmahl in Erinnerung. Peter verbrachte die Weihnachtszeit oft mit der Familie im Tiefental. Dort konnte man bei günstigem Wind in der Altjahrswoche die Trychelzüge von Meiringen hören. Während der Lehrzeit bei Walzes verzierte Peter nach Feierabend bis gegen 22 Uhr «Dänzeschiibleni». Selbstverständlich begann seine Arbeitszeit am anderen Tag in der Backstube wieder um 04.00 Uhr in der Früh! In seinem Lehrvertrag war die Rede von ein paar Stunden Überzeit am Sonntag.
Zu den weltlichen Feiertagen zählen unter anderem Geburtstage und Hochzeiten.
Erich erhielt zum Geburtstag jeweils eine Tafel Schokolade. Aber dies bestimmt nur, weil die Familie einen Laden besass. Hanspeter erinnert sich, dass er sich ein Mittagessen wünschen durfte.
Hochzeiten fanden am Samstag in der Kirche statt. Wenn die Kirchenglocken läuteten, setzten sich Hanspeter und seine Geschwister auf die «Bsetzi» bei Grossmanns und warteten bis die Hochzeitsgesellschaft herauskam. Natürlich freute man sich auf die «Tääfelleni», die den Kindern zugeworfen wurden! Da die Hochzeiten meist vor dem Mittag stattfanden, musste eines der Geschwister unter dem Torbogen Ausschau nach dem Ätti halten. Sobald dieser unten an der Schleegasse auftauchte, hiess es sofort nach Haus rennen, um vor ihm am Mittagstisch zu sitzen. Man hatte vor dem Vater Respekt. Manchmal gab es halt auch «Schmeiz».

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früher-heute
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Dieser Beitrag wird laufend ergänzt.

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