Grenzbesetzung 1914 bis 1918
Foto: Symbolbild, Angaben zum Foto unbekannt
Sie finden das Handgeschriebene Dokument mit der Abschrift als PDF am Ende der Geschichte.
Im Frühsommer 1914 musste ich in die R.S. in Bern einrücken, nach einem Monat Schule in Bern dislozierten wir nach Thun. Am grossen Urlaub machten wir Brienzer, statt nach Hause zu gehen ein Reisli über Biel, Neuenburg, Lausanne denn keiner war je in dieser Gegend. Man hatte einfach kein Geld für solche Reisen. Wir sagten uns, von Thun sei es dann billiger nach Hause zu fahren als von Bern. Leider wurde unsere Annahme zu nichte gemacht, wegen zwei Genickstarrverunfalten (Genickstarre) kam die ganze Rekrutenschule in Quarantäne und wir bekamen nie Urlaub um nach Hause zu gehen. Dann passierte der Mord am österreichischen Kronprinzen welcher den ersten Weltkrieg auslöste. Die Schweizer Armee mobilisierte am 1. August 1914. Während der Mobilisation kamen wir nach Blumenstein und nachher in ein Mannschaftsdepot nach Bern. Von diesem Depot wurden die Rekruten und alle aus der ganzen Welt einrückenden Wehrmänner gesammelt + nachher auf Ihre Einheiten verteilt. Nach 10 Tagen kam ich zu meiner Einheit zum Bat. 35 II. Komp. 2 Zug Hptmann war W. Müller, mein Zugführer Oberlt. Abbühl. In Grenchen wo wir fürs erste ergiebig Soldatenschule betrieben, kamen wir nach einem Marsch durch den Jura bis nach St. Ursan am Dubs, wo wir Grenzwache bezogen bis in die Gegend von Montfaucon Lajoux. Nach 3 Wochen Grenzbewachung gab es einmal 2 Uhr morgens Alarm Befehl alles einpacken und Abmarsch. Es kam der grosse Marsch quer durch die ganze Schweiz bis ins Tessin. Niemand wusste wohin es ging, nicht einmal unsere Offiziere hatten Kenntniss was gespielt wurde. Das war sehr bedrückend!
Auf dem Marsch befand sich die ganze Geb. Brigade 9. ohne die Bat. 36 und 89 welche im Wallis Dienst taten. Am 1. Tag ging der Marsch über Lajoux Bellelay, Tavannes, Sonceboz, Taubenlochschlucht bis Bözingen, ein furchtbarer Marsch mit der ganzen Geb. Ausrüstung und 135 Stück Patronen auf dem Buckel dazu noch Regen + schlammige Strassen. Zu dieser Zeit waren noch keine Strassen geteert. Am 2. Tag Marsch bis Moseedorf + Umgebung. Hier wurde ein Teil unserer Komp. Mit Suppe vergiftet, so dass in der Folge 18 Mann dienstfrei gesprochen wurden. Am 3. Tag March über Bern, wo wir dem General Wille + Generalstabschef Sprecher defilierten. Auf dem Weitermarsch, da wir auf der Strasse Bern Thun marschierten die freudige Vermutung durch die Reihen der Marschierenden, dass wir nach ca 2 ½ Monaten Dienst wohl nach Thun zur Entlassung gehen. Wie gross war aber die Enttäuschung und Entfernung als wir von der Thunstrasse nach links abschwenkten dem Emmental zu, unser Traum entlassen zu werden war ausgeträumt. Unter Fluchen und Schelten langten wir am Abend in Zäziwil an wo wir übernachteten. Die Enttäuschung + Entspannung wäre weniger gross gewesen wen man gewusst hätte wohin der Marsch ging. Ausgerechnet uns Oberländer hat das Oberkommando ausgemacht auf einen solchen Marsch zu schicken, immer zu bekommen was man von einer Truppe verlangen kann bis gemäutert wird. Für ein solches Experiment waren wir Oberländer viel zu «laub» wir liessen alles mit uns geschehen! Da die halbe Brigade auf Marsch war wurde an diesem 4. Tag auf verschiedenen Strassen und Wegen marschiert. Für unsere Komp. war das Flühli das Ziel. Vom Flühli sah man in gerader Linie das Brienzer Rothorn so schön in der Abend Sonne, so dass mich ein mächtiges Heimweh überfiel denn ich war seit dem Einrücken in die R.S. über 5 Monate nicht mehr zu Hause. Das Heimweh war so stark dass ich drauf und dran war Tornister und Gewehr wegzuwerfen und über den Brienzergrat nach Hause zu laufen.
Flühli war so viel wie ein Sammelpunkt für die ganze Truppe. Von hier ging es am 5. Tag meistens in Einerkolonne über Sattelpass. Seewang, Glaubenbergpassen, Stalden bis nach Sarnen. Auf diesem Marsch war unsere Komp. Kolonnenwacht, marschierten also am Schluss der ganzen Kolonne, das war noch eine zusätzliche schwere Belastung die letzten Gruppen trafen erst in der Nacht zwischen 11 + 12 Uhr in Sarnen ein. Viele waren so müde dass sie nicht einmal den Tornister abgezogen und sich ins Stroh fallen liessen, Suppe und Kaffee unberührt blieben! Das hätte man noch kriegen können. Ein Unsinn ohne Beispiel! Der 6. Tag war nur ein halb Tagemarsch + führte bis Beckenried am Vierwaldstätter See. Von hier ging es am 7. Tag über Seelisberg. Hinunter nach Bauen dann auf und ab dem See entlang über Iselten Seedorf bis Schattdorf. Wieder ein Marsch in Einerkolonne und sehr ermüdend. Der Train + Geb. Art. wurde in Beckenried auf Schiffe verladen und bis Flüelen geführt.
Am 8ten Marschtag ging es schon zeitig über Erstfeld, Amsteg, Göschenen zu. So nun wussten wir endlich wohin es ging, entweder an den Gotthard oder sogar ins Tessin! Glücklicherweise fing es in Wassen an zu schneien so dass wir in Göschenen auf die Bahn verladen wurden, so dass wir nicht über den Gotthard marschieren mussten. In Airolo hiess es aber wieder aussteigen und es wurde noch bis Ambri Piotta marschiert. Zugleich wurde uns mitgeteilt, dass wir zur Gotthardbahn Wacht abkommandiert seien. Die erste Gruppe verliess das Gros schon in Airolo. So wurde die ganze Mannschaft durch die ganze Leventina bis nach Arbedo hinunter in kleineren Abteilungen bis Komp. Grösse der Bahnlinie nach verteilt. Unsere Komp. hatte die Ehre bis nach Arbedo zu marschieren und dort Posten zu beziehen. Am 14. Marschtag erreichten wir also unser Ziel. Es war ein harter Marsch. Am Morgen Kaffee oder Kakao und Brot + Käse Mittags Verpflegung aus der Feldflasche kalter Tee. Brot und Käse hin und wieder eine Wurst und am Abend dann eine Suppe welche die Pferde den ganzen Tag mitgeschaukelt hatten, den Spatz dazu und Brot, ich glaube eine solche Tor-Tur würde heute keine Truppe mehr mitmachen. Und als Gipfel von allem während der ganzen Marschiererei den Tschago auf dem Kopf und alle Knöpfe am Waffenrock zugeknöpft!
Nun wurde neben der Bahnbewachung ergiebig Gewehrgriff + Gefechtsausbildung geübt es war zum Kotzen. Für die Zustände am ganzen Marsch + dem Dienst im Tessin war der Brigadier mit Namen Deperod schuldig da er noch mehr von der Truppe verlangte als ihm befohlen war. Es wurde uns in späterer Zeit Gelegenheit geboten uns zu rächen. Indem wir ihm eine Falle stellen konnten wobei er einen Arm und ein Bein gebrochen hat. Da die Posten sehr fleissig gewechselt wurden lernte man fast alle Dörfer in der Leventina kennen. Im grossen und ganzen war es ein eintöniger geisttötender Dienst, so dass man die Sache kurzweiliger machen musste durch allerlei und verübte Lumpenstücke. Ich werde am Schluss der Niederschrift einige festhalten. Der Bahn Bewachungsdienst ging bis in den Februar 1915 hinein. Eines Morgens wurden wir in Bellinzona verladen und wir sagten dem Tessin Adio! Die Fahrt ging über den Gotthard Luzern, durchs Emmental, Bern bis Kerzers - Murten. Unser Bat.35 kam nach Murten um Schloss-Arbeiten am Wistenlacher Mont Vully und in der Gegend von Laupen auszuführen.
Zu dieser Zeit wurde bei der Truppe gefragt wer Skifahren könne. Ich habe mich auch gemeldet und hatte das Glück dass ich nach einer Prüfung auch angenommen wurde unserer 25 Mann wurden in einer Gruppe zusammen gefasst unter dem Befehl von Ad. V Off Emil Steuri, ein z.Z. bekannter Bergführer und Skilehrer. Es waren überhaupt einige bekannte Skifahrer dabei wie die Grindelwaldner, Adelbodner und Sanen-Gstader, wie Steuri, Kaufmann, Schmid, Wampfler, Eggler Paul etc. ich war der schwächste in der Gruppe. Hatte aber das Lob dass ich von allen am besten das Gelände beurteilen könne Ober Lt Willi sagte vielmals: man sehe es mir an dass wir Brienzer eine schwierige Abfahrt am Brienzerberg hätten. Die Gruppe dislozierte nach Nods am Schasseral. Von wo wir drei Wochen lang Ski Patrouillen machten. Es war eine strenge Zeit aber gleichwohl schön und etwas anderes als die P…. Gewehrgriffe. Am Schluss gab es ein Abfahrts Rennen vom Gipfel des Schasseral bis Nods mit Zeitmessung. Ich habe den 3. Rang belegt, dieses dank meiner guten Geländefahrweise. Wir erhielten alle eine schöne Medaille von der Stadt Biel gestiftet. Diese Medaille wurde mir in Thun auf dem Wachlokal gestohlen.
Zurück zur Komp. wurden wir am 25. März 1915 entlassen. Ich war also von Ende Mai 1914 bis März 1915 nie zu Hause, denn es gab nur Urlaub bei Todesfall in der Familie. Und ausser dem Sold, zuerst 40 dann 70 Rp. gab es gar keine Unterstützung. Das zu Hause sein währte aber nicht lange, schon im Mai mussten wir wieder einrücken, der Dienst währte wieder sehr lange, bis in den Oktober - Pro 1915 195 Tage Dienst geleistet! Den Dienst leisteten wir diesmal hauptsächlich im Südtessin. Abgesehen von 2 Märschen ins Misox bis San Bernardino und ins Maggiatal bis Bosco-Gurin. Posten hatten wir in Roveredo, Bellinzona Giubiasco, Magadino – Vira. Auf Passo di Jorio im Valle Morobbia Monte Camoghe. Dann in Tesserete mit Val Colla Passo Jorio mit Patrouillen über den Grenzgrat bis Monte Bree. Dann auch nach Ponte Tresa – Novaggio Grenz Patrouille Monte Lema – Astano. Dann in Melide und Brisone wo wir Fische fingen, das Fischzeug am Gewehrlauf angebunden. Posten in Arogno ob Campione der italienischen Enklafe, Tour auf den Monte Generosa. Es ging noch weiter nach Süden in die Gegend von Mendriso Ligornetto, Stabio, wo ein alter Tessiner in ausgehölten Hölzchen Cigaretten und Stümpen in einem Bächli über die Grenze flöste. In dieser Gegend wird unheimlich geschmuggelt. Von hier ging es zurück nach Lugano wo wir eines Morgens um 2Uhr auf die Bahn verladen wurden und über Luzern, Thun, Lötschberg nach Brig fuhren zur Ablösung des Bat. 35 welches von der Mobilisation bis zu unserer Ablösung im Wallis Dienst taten. Das Bat. 35 wurde nun im Komp. Zug oder Gruppen stärken auf die verschied. Posten von Zermatt durch das ganze Goms bis zum Griespass als Grenzwacht aufgeteilt. Die Komp.II/35 kam in der Folge auch auf den Simplon Pass mit Posten in Gondo, Weitenwassertal Simplon Dorf, Festung Gondo und Berisal. Von Berisal aus wurden über den Saflisch Pass Ski Patrouillen gemacht welche über Heiligkreuz, Binn, Jägerherberge nach Fiesch Brig gingen. Bei einer solchen Pat. sind von unserer Komp. 5 Mann in einer Lawine ums Leben gekommen. Es waren dies die Kameraden Ob Lt. Willi aus Meiringen die Füs. Sieber, Schranz, Brunner Flogerzi, Ritter alle aus dem Kander und Simmental.
Zur gleichen Zeit lief gegen unseren Hpt. Müller ein Rapport auf Absetzung unterschrieben von sämtlicher Mannschaft, ausgenommen U.Off. Jaggi und Hirsch. Welche dann so geplagt wurden dass sie sich versetzen liessen. Dem Rapport wurde stattgegeben und wir erhielten beim nächsten Einrücken einen neuen Komandanten: Hptm. Fr. Michel ein Brienzer. Mit diesem machten wir die ganze restliche Grenzbesetzung zur beidseitigen Zufriedenheit bis in 1918 fertig. Bei unserem Einrücken 1916 können wir nochmals ins Wallis. Simplontunnel Wacht, Gebirgsposten Theodulpass. Testa Grigio mit Tour aufs 4165 mtr. hohe Breithorn sowie im Saasertal nach Saas – Allmagell mit Touren Monte Moro Pass. Portien Grat Weissmies etc. ein schöner Dienst da sämtliche Teilnehmer Alpinisten waren.
Nach ca. 2 monatigem Dienst wurden wir wieder einmal entlassen. Der Dienst 1917 machten wir wieder in unserem liebgewordenen Tessin. Und zwar galt es für die Bat. 34.35. Vom Mobilmach Platz Thun einen Marsch über Interlaken, Brienz, Brünig bis Alpnachstad. Also durch unsere Heimatdörfer. Die Bevölkerung stand an den durchmarschierten Strassen Spalier und es wurden Aepfel und Birnen verteilt. Man sah aber auch manches Auge abwischen wen der Ätti vorbeizog. Jede Komp. stellte einen Mann zur Bat. Fahnenwache. Von der II Komp. wurde ich zu diesem Ehrenposten abkommandiert. In Ringgenberg wo wir übernachteten war ich gezwungen mein Ehrenamt abzutreten da ich wegen unpassenden Schuhen wunde Füsse hatte. Ich war sehr deprimiert dass ich durch Brienz doch nicht neben der Fahne voraus marschieren konnte denn sicher hätten sich Vater und Mutter wie auch viele Brienzer gefreut wenn nebst dem Hptm. Michel ein Brienzer Soldat neben der Fahne marschiert wäre. Nun es sollte nicht sein.
Der Marsch über den Brünig war sehr streng, denn es lag ca. 20 cm Schnee auf der Strasse da der Train vorabfuhr gab es ein furchtbares Gewühl von Schneematsch. Der Marsch ging von Ringgenberg bisGiswil wo übernachtet wurde. Von da gab es noch einen Marsch bis Alpnachstad von wo wir auf Schiffe verladen wurden und bis Flüelen fuhren. In Flüelen gab es einen Umlad aufdie Gotthard Bahn. Die Fahrt ging für unsere Komp. bis Lugano, in der folgenden Zeit hielten wir uns hauptsächlich im untersten Teil des Tessins auf. Auf diese Art lernten wir den Kanton Tessin seine Dörfer und Leute trotz den Sprachschwierigkeiten besser kennen als die meisten das Berneroberland kannten. Die Tessiner sind viel freundlicher und auch dienstbarer als etwa die Walliser welche uns «Schwinbärni» austeilten und uns nicht die kleinste Dienstbarkeit erwiesen, da wir in ihren Augen als Reformierte Ketzer waren.
Den Dienst 1918 machten wir im Jura im Largent Zipfel Beurnevésin – Réchésy Boncourt. In diesem Raum waren 2 Beobachtungs Türme 25 + 32 mtr hoch, so dass man bis in den Schwarzwald und die Vogesen hinüber sah. Unser 4 Mann kamen mit Oblt. Äschlimann auf den wichtigen Posten Beurnevésin – Réchésy wo wir direkt in die vordersten Schützengräben hinein sahen, den Deutschen wie den Franzosen. Unsere Aufgabe war zu beobachten was zwischen Dell, Belfort, Altkirch Mülhausen vor sich ging. Artillerietätigkeit, Flieger und Fesselbalon Abschüsse wie Truppenverschiebungen. Alles mussten wir protokolieren und nach Bern melden. Zur Verfügung hatten wir einen persönlichen Feldstecher ein Marinefernrohr von der Sternwarte Neuenburg mit 25-40-75 facher Vergrösserung. Dieses Fernrohr wurde alle 10 Tage von einem Angestellten der Sternwarte kontrolliert. Wir hatten eine grosse Verantwortung dafür. Bei guter Beleuchtung hatten wir
Mit diesem Fernrohr in Belfort bekannte Leute erkannt. Für uns war die Sache nicht ungefährlich, den bei Fliegerkämpfen zeigte sich manchmal eine Maschinengewehr Salve gegen uns. Wenn eine solche Garbe in die Nähe von uns kam verliessen wir fluchtartig das Hüttli und liessen uns über die Leitern Lehnen hinunter rutschen. Einmal sass ich am Fernrohr und beobachtete einen Flieger Kampf. Überraschend gab es eine Maschinengewehrgarbe gegen uns wobei mir eine Kugel zwischen den Knien durchflog und in der Hüttliwand ein Teller gosses Loch herausriss. In den 10 Wochen wo wir auf diesem Posten waren erhielten wir 8 Einschläge. Im ganzen zählten wir im Hüttli und in der Turm Konstruktion 28 Löcher oder Einschläge. Nicht gerade anmächelig! Wir sahen von unserem Turm aus viele Soldaten sterben, meistens Kopf Schüsse.
Foto: Symbolbild, militärische Beerdigung von Willy Fuchs in Brienz, er verstarb aufgrund eines Bauchschusses in der Rekrutenschule im Tessin im Jahre 1940.
Das traurigste Erlebnis sah ich im Französischen Dorf Réchésy. Hier durften Familien Angehörige ihre Männer und Väter besuchen welche aus der vordersten Kampflinien nach Réchésy kamen. Von Delle führte ein Rollwagen Feldbahn bis Réchésy mit welcher die Besucher kamen. Eines Tages entstieg nebst anderen Besuchern eine Frau mit 4 Kindern einen Rollwagen welche sich ausserhalb des Dorfes neben einem zerschossenen Haus unter einem Baum lagerten. Nach einiger Zeit kamen einige Soldaten von der Front zum Besuch ihrer Angehörigen bei welchen sich auch der Vater der Kinder befand. Das war eine Freude des Wiedersehens! Die Frau hatte in einem Korb Esswaren mitgebracht welche sie miteinander assen. Die Zeit des Zusammenseins war aber bald vorbei und die Soldaten mussten wieder zurück an die Front. Man musste Abschied nehmen. Die Kinder hängten sich an den Vater und die Frau liess den Mann nicht los bis er sich mit Gewalt losriss und den vorausgegangen Kameraden nacheilte. Ich richte das Fernrohr auf die zurückkehrenden Soldaten und verfolgte sie bis zum vordersten Graben wo sie sich beim Einsteigen aus irgend einem Grund bücken mussten. Da der Mann vom Abschied jedenfalls noch hergenommen war ist er zu aufrecht stehend in den Graben eingestiegen. Auf einmal warf er die Arme hoch, ein sicheres Zeichen dass er einen Kopfschuss erhalten hatte. Er kullerte in den Graben hinein. Die Deutschen hatten in diesem Abschnitt einen sehr guten Scharfschützen. Sofort brachte ich das Formular auf Réchésy zurück und sah noch wie die Frau mit den Kindern mit der Feldbahn nach Delle zurück fuhr. Diese Episode hat mich so ergriffen, dass ich die Finger vom Fernrohr löste und die Arme sinken lies. Auf einmal hörte ich die Stimme von unserem Oblt. Äschlimann. Er sprach mich an: «Was ist auch mit Ihnen» da merkte ich erst dass mir die Augentränen am Kinn abtropften!
Ähnliche traurige Vorkomnisse liessen sich noch einige erzählen z. Beispiel die Episoden bei den Fesselbalon Abschüssen. Man machte sich daher allerlei Gedanken über den Unsinn des Krieges. Auf dem Beobachtungsturm wurden wir durch Zürchertruppen abgelöst, blieben aber noch ca. 10 Tage in Réchésy um die an der Grippe erkrankten Soldaten zu pflegen oder den Wachdienst zu übernehmen. Da die Grippe unheimlich unter den Soldaten grassierte wurde in Solothurn in einer Turnhalle ein Notspital errichtet. Eines Tages erhielt unser Wachtmeister Schlunegger den Befehl mit 10 Mann nach Solothurn zum Abtransport verstorbener Wehrmänner zu gehen. Wir hatten den Befehl die verstorbenen Soldaten der Oberländer Einheiten an ihren Wohnorten zu beerdigen. Um morgens 4 Uhr wurden wir nach der Totenhalle der Stadt geführt, hier mussten wir 42 Särge auf Camion verladen welche auf den Güterbahnhof führen. Auf dem Bahnhof mussten wie die Särge in die entsprechenden Wagen verteilen keine angenehme Arbeit bei dem Gestank, denn es waren welche dabei welche schon einige Tage eingesargt waren. Nachdem wir unsere 12 Särge verladen hatten fuhren wir mit diesen bis nach Thun, von wo wieder eine Verteilung auf die verschiedenen Dörfer vom Thunersee in die verschiedenen Täler bis nach Guttannen stattfand. Nun fanden die militärischen Beerdigungen statt mit den obligaten «3 Schüsse ins Grab». Pro Tag fanden manchmal drei Beerdigungen statt. In diesen Tagen hatten wir nicht viel gegessen der Appetit fehlte uns total, dafür haben wir unsere Schnabelflasche fleissig zirkulieren lassen welche uns ein Wirt in Grenchen geschenkt hat. Ich glaube noch heute dass uns der Brantwein vor Ansteckung bewahrt hat.
Während den 6 Tagen der Beerdigungen waren wir alle mehr beduselt als nüchtern. Alle 12 Mann vom Beerdigungskomando durften bei der bald erfolgenden Entlassung gesund und munter nach Hause heimkehren. Inzwischen hatte auch das Völkermorden welches von 1914-1918 gedauert hat aufgehört. Im Herbst 1918 kam es infolge politischen Machtkämpfen zwischen den bürgerlichen und den sozialistischen Parteien zum Generalstreick. Das Militär wurde im November 1918 wieder aufgeboten um Ruhe und Ordnung Wieder herzustellen. Unser Bat 35. rückte in Thun ein. Die Komp. II/35 mit Hptm. Fr. Michel bekam die Aufgabe die Munitionsmagazine in der Umgebung zu bewachen. Wir 12 Mann vom Beerdigungskommando trafen sich wieder alle zusammen und hatten einen Posten in der Nähe von Dürrenast mit niemand kamen wir in Berührung und trotzdem hat uns die Grippe einen nach dem anderen überfallen. Diese Seuche lag in der Luft. Jedenfalls hatten wir zu wenig Schnaps konsumiert! Mit 38° Fieber hatte ich mich noch nach Hause geschleppt. In der Folge war ich lange sehr schwer krank, hatte noch doppelte Lungenentzündung. Dass ich am Leben blieb verdanke ich meiner Mutter und meiner Jugendfreundin Johanna Mathyer welche dazumal Gemeindekrankenschwester war. Es war eine schwere Zeit für meine Eltern. Denn irgend eine Unterstützung gab es weder von Gemeinde noch dem Militär!
Fr. Michel
P.S.
Vorstehendes sind die Aufzeichnungen über die Zeit des 1.ten Weltkrieges vom 1. August 1914 bis Ende 1918. Über die persönlichen Erlebnisse in der II. Komp. des Geb. Füs. Bat. 35. Über den 2.ten Weltkrieg besteht ein Büchlein über den Aktivdienst der Ter. Füs. Komp. I/176 welcher ich zugeteilt war, ich erspare mir deshalb die persönlichen Erlebnisse aufzuzeichnen. Mobilisation der Schweizer Armee war am 2. September 1939. Entlassung 1945. In den 2 Weltkriegen habe ich im total 727 Tage geleistet.
Der viele Militärdienst war ein grosses Hindernis im Beruflichen vorwärts zukommen, den nach 1920 und nach 1930 war die grosse Wirtschaftskrise mit der grossen Arbeitslosigkeit so dass man allfällige Reserven restlos aufbrauchen musste. Unserer Generation blieb wirklich nichts erspart. Gottlob hatte ich eine gute Gesundheit so dass ich mich besser oder schlechter über Wasser zu halten wusste. Meine Frau hat in dieser Zeit auch wacker mitgeholfen und mitgetragen.
Brienz im Frühjahr 1981
Fr. Michel
War es wirklich so ganz anders?
Die 4. Broschüre ist gedruckt - Verkaufstart am Brienzermärt
Endlich ist sie da - die 4. Broschüre Brienzer Dorfgeschichte und - wir haben eine Überraschung! Was? Das sehen Sie im Video. Viel Freude beim Schauen.
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«Das war für mich ein schöner Aufsteller!» Das schreibt uns Elisabeth Fuchs in einem Mail. Die erschütternden Nachrichten, die das Unwetter vom 12. August 2024 in Brienz mit sich brachte, die kennen wir. Daneben gibt es jedoch auch viele schöne Geschichten, solche von Zusammenhalt, Unterstützung und weitere, die erfreuen. Wie eben auch diese von Elisabeth Fuchs.
Geschichten vom Burgstollen
Beatrice Lauener ist die Enkeltochter von Gertrud Juillerat-Eggler vom Burgstollen. Sie hat uns einige Dokumente ihrer Grossmutter zukommen lassen und auch zwei Musikstücke der Kapelle Eggler, bei denen ihr Grossvaters Paul Juillerat am Klavier mitspielte. Viel Freude beim Lesen und reinhören.
Aus dem Leben von Werner Zysset
Es ist ein Nachmittag im März 2024, als Heidi Blatter und Zora Herren (Bericht) bei Mina und Werner Zysset-Leppin an den Küchentisch eingeladen werden. Werner ist vorbereitet auf unseren Besuch, auf dem Tisch liegen zwei Ordner mit Fotos und Dokumenten und auf einem Blatt hat er alle Kleinschreiner, die es 1951 in Brienz gab, aufgeschrieben. Wir zählen 29 Namen!
Drei Videos: Besondere Erinnerungen, erzählt von Werner Zysset (Jg. 1935)
Die Videos sind aufgezeichnet worden am 27. März 2024. Werner Zysset ist im November 1935 geboren. Heidi Blatter und Zora Herren, vom Team Brienzer Dorfgeschichte, besuchten ihn und staunten, was Werner zu erzählen weiss. Viel Freude beim Schauen!
Das Video "Grossvater" dauert 8 Minuten, die beiden anderen knapp 2 Minuten.
Alte Filmrollen gesucht
Sie haben Filmrollen mit Filmen von Brienz. Wir möchten das Archiv der Brienzer Dorfgeschichte bereichern mit alten Filmen und diese auch auf der Internetseite für die Brienzerinnen und Brienzer zugänglich machen. Sehen Sie sich im Video unten unseren Aufruf an:
Video: Anekdoten zum Schwandergässli
Kurt Wellenreiter (Jg. 1933) erzählt vom Schwandergässli. Das Video wurde aufgezeichnet am 31. Januar 2024.