Hüterbubengeschichten von der Planalp

In den 1950er Jahren war ich einige Sommer während der Schulferien als Hüterbub auf der Planalp. Zuerst bei Onkel Emil (Huggler Miiggi), welcher selbst das letzte Mal alpte, später dann bei Hans Flück aus Oberschwanden (ds Wyssen Hansli). In dieser Zeit zogen noch alle Familien-Senntümer von einem Stafel in den nächsten. Vom Gresgi ins Gummi und dann nach Obristen und den gleichen Weg retour. Nur Thöni Albi zügelte vom Gresgi direkt an Rinderbiel und von da an Obristen und ebenso retour.
Die Ausweidezeit haben wir Hüterbuben wegen der Schule verpasst. Auch aus der Gresgizeit habe ich nicht viele Erinnerungen, da man um diese Zeit gleich ins Gummi zügelte. Zuunterst im Gummi war Ernst Blaser in Turtschis Hütte, etwas weiter oben waren ds Wyssen Hansli und Mäder Walter; zuoberst auf der Chiefuren waren Hugglers, Thönis und Flück Albi (Pierelli).

Aus dieser Zeit ist mir geblieben, wie man abends auf dem Grat die Steinböcke kämpfen sah und das Zusammenschlagen der Hörner hören konnte. Die Steinböcke kämpfen im Sommer eine Rangordnung aus für die Brunft, welche dann im Dez./Jan. abläuft. Im hintern Gummi waren auch einige Murmeltiere und gegen die Burg hin fast immer einige Gemsen.
Faszinierend war im Gummi, unter dem Rosnollen, das Gellende Loch, eine kreisrunde Doline mit etwa 4 m Durchmesser, mit ewigem Schnee in etwa 5 m Tiefe. Hier war besondere Wachsamkeit der Hüterbuben gefragt, dass keine Tiere in die Nähe kamen. Auch das Marmilchloch im hinteren Gummi wurde einige Meter in die Tiefe erkundet. Hier konnte aber kein Vieh verunglücken.
Einmal musste ich hinunter in die Huusstatt, um Brot zu holen, welches vom Bäcker mit der BRB in einem leeren Mehlsack geliefert wurde und beim Stationsvorstand Steiner Tewws deponiert war. Um den Rückweg ins Gummi abzukürzen, ging ich etwas nach dem Heinz in der Falllinie nach oben. Verlockend war es, die möglichst runden Steine den Abhang hinunter rollen zu lassen, wenn da keine Touristen unterwegs waren. Das ging so lange gut, bis ich eine runde Platte aufnahm und darunter von einer aufgebrachten Schlange, wohl einer Viper, angefaucht wurde. Vor Schreck liess ich den Stein fallen und ohne anzuhalten rannte ich bergwärts bis zur Hütte. Im Nachhinein glaubte ich, dass neben der grossen Schlange auch noch mehrere kleine gewesen waren.
Als einmal ein riesiges Hagelgewitter über das Gummi niederprasselte, war ich allein in der Hütte. Es gab Risse im Schindeldach. Da bekam ich Angst, stülpte eine Melchter über den Kopf und rannte zur Nachbarhütte. Dort war auch ein Hüterbub allein und auch voller Angst. Zusammen haben wir uns getröstet und das Unwetter überstanden.
Wenn wir in Lanzis hüteten, man ging damals auch mit den Kühen hinauf, waren wir mehrere Hüterbuben zusammen am Hüten. Zum Essen hatte man ein Stück Käse mit Brot und in einem Handbräntli Käsemilch mitgenommen. Wenn alles ruhig war, war das «Mässerlen» ein beliebter Zeitvertreib. Jeder Hüterbub hatte ein Sackmesser, damit wurde eine Grasmutte aus dem Boden herausgeschnitten, so dass nur die blanke Erde ohne Steine sichtbar war. Die Kunst war es nun, nacheinander das Sackmesser auf verschiedene festgelegte Arten und Entfernungen so zu werfen, dass es mit der Klinge in der Erde stecken blieb.
Etwas Unvergessliches für mich war auch, wenn man etwa an einem Sonntagnachmittag hinauf in die Chruteren auf den Grat stieg. Da sah man weit nach Norden ins Land hinaus bis an den Jura. Auch hörte man die Glocken des weidenden Viehs im Entlebuch, was einen eigenartigen Eindruck auf mich machte. Ein einmalig schönes Erlebnis.
Im Gummi war man sozusagen allein mit der Natur, da wenig Touristen vorbeikamen; im Gegensatz zu Obristen, wo man am Puls des Tourismus war. Für die Hüterbuben eine abwechslungsreiche Zeit. Dank der Rothornbahn gab es hier Sachen, die man im Gummi nicht hatte. Hier kreuzten vormittags und nachmittags mehrere Züge und blieben manchmal auch einige Minuten stehen, wenn einer Verspätung hatte. Für uns war das die Gelegenheit, Bergblumen an die talfahrenden Touristen zu verkaufen. Etwa Steinrösli (Bewimperte Alpenrose) vom Tirrengrind, Bergaster und Nägeli von der Grätlisegg, Arnika und Chuebrändeli (Männertreu) aus den Wengen. Mit den so erhandelten paar Franken schickten wir dann kurz vor dem 1. August einen von uns ins Dorf hinunter, um etwas Feuerwerk, hauptsächlich Schweizerkracher, zu kaufen. Auch bekamen wir von den Touristen allerlei Proviant, den man auf der Alp vergeblich sucht. Sandwiches, Schokolade und andere Süssigkeiten. Vielleicht sahen wir auch ärmlich, ungewaschen und damit unterstützungswürdig aus. Diese Gaben legten wir alle in einen «Fäädlitrog» und teilten sie untereinander auf. Dann am Abend des 1. Augusts gingen wir zum Felsentor und zur Grätlisegg-Hütte, um das Feuerwerk auf dem See zu sehen. Da waren auch Verbauungs-Arbeiter aus Italien untergebracht; die erzählten uns, wie sie während dem Weltkrieg unter Lebensgefahr für die deutsche Wehrmacht Munition in die Berge schleppen mussten. Das beeindruckte uns sehr!
Die Rothornbahn war uns auch noch von anderem Nutzen. Trieb man am Morgen die Kühe in Richtung Mordboden, so musste man sie am späten Nachmittag auch wieder von dort herunterholen. Da kam das Vieruhr-Zügli gerade recht. Viele Kondukteure nahmen uns bereitwillig mit bis in die Weng, wo sie dem Lokführer ein Zeichen gaben, etwas langsamer zu fahren, so dass wir abspringen konnten. Es ist auch vorgekommen, dass wir bis aufs Rothorn fuhren und die Kühe dann von oben her abwärts treiben konnten. Mit gelegentlich etwas Schluck und Niidlen haben wir uns auch bei ihnen bedankt.

Foto: Melken an Obristen
Auch an Touristen konnte man gelegentlich eine oder zwei Tassen Milch verkaufen.
Einmal ging das Gerücht um, ein entflohener Krimineller treibe sich in der Gegend herum. Eines Nachmittags, als wir Hüterbuben alleine im Stafel waren, sahen wir eine hell gekleidete Person von der Twärenegg her in Richtung Mordboden kommen. Wir mutmassten, das sei sicher der Kriminelle. Was sollten wir machen, wenn der näher käme? Und er kam immer weiter herunter. Da beschlossen wir, uns gemeinsam in Turtschis Hütte, welche solide Tür- und Fensterläden hatte, zu verbarrikadieren. Wir warteten im Finsteren, waren mucksmäuschenstill und wagten kaum zu atmen. Wir schrecken auf, als plötzlich jemand an einem Fensterladen rüttelte, dann an einem zweiten. Jetzt fing der Bläss wütend an zu bellen, worauf das Rütteln aufhörte. Wir warteten noch einige Zeit, bevor wir uns hinauswagten. Um die Hütte schien alles ruhig und da sahen wir dieselbe Person wie vorher in Richtung Twärenegg verschwinden. Wer es war, ist unbekannt geblieben.
Hinter den Hütten an Obristen fliesst der noch kleine Milibach vorbei. Dort sah ich einmal etwas, das ich bis heute nie mehr gesehen habe. Da kam ein flinkes Wiesel dem Bach entlang mit drei oder vier Kleinen im Schlepptau. Jedes Kleine am Vorderen im Schwanz festgebissen. Ob so die Mär vom Tatzelwurm entstanden ist? Da sagte uns jemand, dass die einer Person an die Kehle springen und Blut aussaugen können. Von da an ging ich immer vorsichtig hinunter zum Bach.
Vieles wird heute verändert, aber nicht alles wird besser. Auch, dass der Elektro-Viehhüter die Hüterbuben wegrationalisierte, ist eigentlich schade, denn diese erlebte Zeit in der freien Natur bei Wind und Wetter mit den Tieren sind unvergessliche Erinnerungen und eine gute Schule fürs Leben.
Peter Schild

Meine Grosseltern Hans (Mühlibach Hansli) und Gritli Eggler
Lotti Schaller (Jg. 1948) hat einige schöne Erinnerungen an die Ferien bei ihren Grosseltern in Brienz notiert.

Auswandern
Für das Thema Auswandern scheinen unsere «Träpplig Suecher» fast zu jung. Trotzdem wussten Peter Fischer-Rahm, Trudi Steiner und Vreni Fischer-Fuchs einiges zu erzählen und Fränzi Feusi und Rose-Marie Flück hörten gespannt zu. Zudem konnte Silvia Thöni-Fischer als Burgerschreiberin von ihren Erfahrungen berichten, wenn sich Nachkommen von Auswanderern nach ihren Vorfahren bei ihr erkundigten.

Sie waren die Letzten ihrer Art
In den späten 1940er-Jahren hüteten Hanspeter Flück und seine Schulfreunde rund 40 Ziegen fürs ganze Dorf. Ein Bericht von Hans Heimann, erschienen im Schweizer Bauer am 24. Mai 2025.

Wie eine Linie der Familie Flück zum Übernamen «Bitzer» kam
Es ist ja allgemein bekannt, dass der Familienname Flück in Brienz so häufig ist, dass es mindestens 16 Übernamen gibt, damit man die einzelnen Linien unterscheiden kann. Thomas Dietrich ging auf Spurensuche, nach dem Ursprung des Übernamens «Bitzer».

Wie eine Linie der Familie Wyss zum Übernamen «Cäsarler» kam
Dass in Brienz Mitte des 19. Jahrhunderts ein Kind auf den Namen Cäsar getauft wird, ist eigentlich undenkbar. Aber genau das geschieht 1851, als die 22-jährige Elisabeth Flück einen Sohn zur Welt bringt. Thomas Dietrich hat verschiedene Recherchen zum Übernamen «Cäsarler» unternommen und die Erkenntnisse zu einem Dokument zusammengestellt.

Schafmarkt in der Alpgasse bei der Chirsimatten-Schiir
Fotobeschrieb und Erinnerungen von Peter Fischer-Rahm, Oberdorf. Neu mit Video!