Piraten auf dem Brienzersee?

Ein Bericht von Pirat Ueli Stähli: Die Behauptung, dass die ersten Spuren von den Vorfahren der Brienzer Seepiraten schon im 17. Jahrhundert auf der Schneckeninsel entdeckt wurden, entbehrt allen wissenschaftlichen Grundlagen. Richtig und geschichtlich belegt ist die Tatsache, dass vor genau 50 Jahren die ersten gefürchteten Aktivitäten von piratenähnlichen Angriffen auf dem Brienzersee zu verzeichnen sind. Besonders gutbetuchte Gesellschaften, welche sich auf der Brienzersee-Flotte zum reinen Vergnügen tummelten, waren das Angriffsziel der wilden Horde.

 

Gruppenfoto der Brienzer Seepiraten. V.l.n.r. Hans Linder, Heinz Kehrli, Ruedi Huber, Gerhard Hunziker, Ueli Stähli, Gerhard Ernst, Ruedi Wettach und René Wetzel. Vorne v.l.n.r.: Fritz Thomann, Willy Hofmann, Hanspeter Schär, Ruedi Bühlmann und Hansjörg Ernst.


Der erste Probelauf wurde mit fünf Booten vom «Lenteli» aus auf eine prominente Hochzeitsgesellschaft, welche mit der Lötschberg unterwegs war, ausgeführt. Die fünf Piraten-Boote, aufwändig getarnt mit Tannästen, umkreisten die Lötschberg und zwangen sie zum Halt auf offenem See. Das Schiff wurde probehalber durch einen Piraten geentert und weil es sich bei dem Hochzeitspaar um Alice und Ruedi Bühlmann handelte, wurde auf das gut vorbereitete und klar vorgesehene Massaker verzichtet. Dennoch wurde das Paar nochmals richtig und rechtlich verbindlich auf Piratenart getraut und mit einem speziellen Piraten-Ehering geehrt. Dass dieser Überfall ohne schlimme Folgen blieb, war dem Umstand geschuldet, dass das Hotel Kreuz in Brienz angewiesen wurde, die Piratengesellschaft angemessen mit Speis und Trank zu versorgen. Dieser Überfall kann rechtlich nicht mehr verfolgt werden. Aus diesem Grunde kann hier exklusiv bekannt gegeben werden, welche gefährlichen Kerle, damals alle in Brienz wohnhaft, diese Missetat zu verantworten hatten. Dabei waren: Förster Thomas Färber, Tourismusboss René Wetzel, die Gebrüder Gery und Hansjörg Ernst, Ernst Schlagenhauf, Eddie Lardon, Gery Hunziker und Heinz Kehrli.

Die Brienzer Seepiraten Peter Stähli und Peter Rubi beim Entenwychel warten auf ihren Einsatz.


Mit dem Täggelibock fand beim Schnäggeninseli eine Entführung statt und Orgeler Trinel verlas die Bedingungen der Brienzer Seepiraten. Die Piraten v.l.n.r.: Peter Rubi, Gerhard Ernst, Fritz Thomann, Hansjörg Ernst und Martin Flück, daneben Teilnehmer des Firmenausflugs.

Da bei diesem ersten Überfall die Hochzeitsgesellschaft nicht durchsucht und keine Wertsachen beschlagnahmt werden konnten, blieb leider die Piratenkasse, genannt «Ebbe und Flut», leer. Es wurde nötig, den Piratenbestand aufzustocken, entsprechend zu bewaffnen und auszubilden. Künftig wurde die Enterung der Passagierschiffe mit künstlichem Nebel getarnt vom Entenwychel ausgeführt. Mit Pistolenschüssen und Leuchtraketen und mit haarsträubenden Manövern wurde das Schiff zum Anhalten gezwungen. Die Piratenboote wurden gesichert und alle Mann enterten das Schiff und forderten ein entsprechendes Lösegeld. Die Forderungen wurden in einem speziellen Gesangsstück mit musikalischer Begleitung von Ernst Gery dargeboten. Das Lied mit der Melodie von «Wir lagen vor Madagaskar» wurde erst Piraten-Symphonie und später dann «Schmätter» genannt und neben vielen anderen brutalen Seemannsliedern zum Besten gegeben.  

 

Wir kommen vom Entenwychel
Durch Nebel und Pulverdampf
Euren Käpten den traf die Sichel
Er liegt noch im Todeskampf

Ahoi, Seepiraten, ahoi, ahoi

Vom Bahnhof bis Walzes Garten,
Haben wir euch das Fürchten gelehrt
Wir können es kaum erwarten
Bis ihr alle jetzt Baden geht

Ahoi, Seepiraten, ahoi, ahoi

Besonders ganz hübsche Bräute
Wie auf diesem käptenlosen Schiff
Sind unsere Lieblingsbeute
Wir entführen euch hinters Riff

Ahoi, Seepiraten, ahoi, ahoi

Wir legen euch jetzt in Ketten
Ihr werdet leiden grosse Pein
Wollt ihr euer Leben retten
So schenkt uns ein Gläschen ein

Ahoi, Seepiraten, ahoi, ahoi

Text: Pirat Schwander Stähli Ueli

 

Viele brutale Überfälle auf schifffahrende Hochzeitsgesellschaften mussten mit der Entführung der Braut ergänzt werden, weil die strengen Auflagen der Brienzer Seepiraten nicht befolgt wurden. Oft war es eine recht schwierige und heikle Aktion, die frisch Vermählte in ein Piratenboot zu zwingen. Auf der anderen Seite waren die Piraten sehr gefordert, den Ehemann, welcher der Braut zur Hilfe eilen wollte zu bändigen. Es ist natürlich jedem klar, dass diese Aktivitäten absolute Disziplin, Gehorsam und körperliche Fitness voraussetzten. War die in Gewahrsam genommene Braut sicher im Piratenboot verstaut worden, wurde das Gesellschafts-Schiff unter grossem Jubelgeschrei drei Mal wild umrundet und dann lenkten die Piraten ihre Boote mit Vollgas gegen Westen. Ziel war die Piratenboot-Anlegestelle in Iseltwald, wo auf dem erhöhten Piratensockel in der Gartenwirtschaft «Strand» Stellung bezogen wurde. Ein Späher wurde eingesetzt, um die Kidnapper vor der baldigen Ankunft des Schiffes mit Bräutigam und Hochzeitsgesellschaft zu warnen.

Meistens hatte sich die entführte Braut soweit beruhigt, dass man sie von den Fesseln befreien konnte. Für alle Beteiligten wurde ein «Grosses» bestellt und der Braut das Versprechen abgenommen, dass die Bezahlung des Umtrunkes vom Ehemann übernommen wird. Wurde dieser Anweisung entsprochen, so konnte die Braut in einwandfreiem Zustand dem neu Vermählten wieder übergeben werden. Es gab aber auch haarsträubende Zwischenfälle. Eine Braut hat sich überschätzt und beim Umtrunk mit den Piraten mithalten wollen. Leicht angesäuselt und wohl etwas neben den Schuhen wollte die Braut «umsverrecken» nicht mehr zur Hochzeitsgesellschaft zurück. Sie wollte den Ehemann und die Trauzeugen ermuntern doch gemeinsam mit den Piraten weiter zu feiern. Dieses Ansinnen der Braut entsprach nicht den sehr hohen moralischen Ansprüchen der Piratengemeinschaft. Künftig mussten die entführten Bräute auf den Genuss von Alkohol verzichten. Dank den psychologisch gut geschulten Piraten, konnte die Braut diskret und ohne Aufsehen zu erregen wieder in die Hochzeitsgesellschaft eingegliedert werden.

Die erfolgreichen Auftritte der Brienzer Seepiraten blieben nicht unbeachtet. In den 80er und 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurden die Piraten zur qualitativen Verbesserung der jeweiligen Anlässe gebucht. Einmal wurden wir vom Radio de la Suisse Romande an das Comptoire im Palais de Beaulieu nach Lausanne eingeladen. Schon damals waren die Eingangskontrollen, wegen Terrorgefahr, recht gründlich. Die Piraten haben es geschafft, die Nebelpetarden, die Leuchtraketen, die Pistolen und Säbel ins Comptoir-Gelände hinein zu schmuggeln. Bis zum Auftritt im Studio des Radios blieb noch Zeit und so bereiteten sich die Piraten für eine Aktion auf einem geeignet grossen Platz vor. Um Aufmerksamkeit zu erregen, wurden die ersten Nebelpetarden und Leuchtraketen gezündet. Die Besucher blieben erstaunt stehen und beobachteten diese attraktive Aktion. Weniger attraktiv fanden es die Sicherheitskräfte des Comptoirs, welche die ganze Piratengesellschaft unverzüglich verhaften wollten. Es dauerte recht lange bis sich die Gemüter der Sicherheitsleute wieder beruhigten und die Piraten zum zuständigen Radiostudio begleiteten. Der Radiobesuch wurde mit dem Singen der Seepiraten-Symphonie abgeschlossen und bleibt unvergessen.

im Jahr 1984 wurde das Schweizer Fernsehen auf die wilden Brienzer Seepiraten aufmerksam. Damals fand der Donnerstagsjass an einem Mittwoch statt. Brienz musste gegen Meiringen jassen. Und leider verlor Brienz und so fand der nächste Mittwochjass mit Live-Übertragung im Fernsehen in Meiringen statt. Das Fernsehen hatte aber bereits im Vorfeld Szenen mit den Piraten auf dem Brienzersee aufgenommen. Das Team des Schweizer Fernsehens wollte auf diese tollen Aufnahmen von den Piraten in Aktion nicht verzichten. So mussten die Piraten ins Hasli reisen und den «Schmätter», zum Besten geben. Damit haben die Brienzer Seepiraten mit diesem Anlass in der Diaspora grosses geleistet und Geschichte geschrieben.

Einen weiteren Polizeieinsatz provozierten die Brienzer Seepiraten am Rhein in Basel. Dort wurde das Steakhouse «Churrasco» umgebaut und als Ersatzlokal mietete die Firma ein Rhein-Passagierschiff, welches während der Umbauzeit als Ersatzrestaurant diente. Um diesen Umzug etwas Publik machen zu können, wurden die Piraten angefragt, ob es möglich wäre, einen Überfall auf das am Rhein liegende Restaurant-Schiff zu organisieren. Die Piraten dachten: Wir waren bei den Haslern, so gehen wir auch zu den Baslern. Die Piratenschar wurde auf Weidlingen platziert und Richtung «Churrasco-Schiff» gebracht. Wie üblich zündeten die Piraten Raketen und Petarden und enterten das Beizenschiff. Verschlimmert wurde die ganze Aktion durch die heranrasende Polizei, welche den Eindruck erweckte, dass es sich wirklich um einen echten Überfall auf die «Churrasco–Gäste» handeln könnte. Später, viel später konnten wir den Gästen noch einige bekannte Seemannslieder und den «Schmätter» darbringen. Offenbar hätte das «Churrasco» für diese Aktion eine Bewilligung einholen müssen. Für die erhoffte Werbewirkung hatten die Piraten aber gesorgt. Das «Churrasco» war mit dem Auftritt der Brienzer Seepiraten sehr zufrieden.

Einen weiteren Auswärtstermin durften die Brienzersee Piraten in Ringgenberg wahrnehmen. Das bekannte Rimo-Quintett hat die Piraten im Jahr 1996 für eine Showeinlage mit beliebten Seemannsliedern und humoristischen Texten anlässlich der Taufe der neuen CD engagiert. Bemerkenswert, weil an diesem Anlass auch das Trio Eugster anwesend war. Ein klarer Hinweis, dass die Brienzern Seepiraten im musikalischen Olymp angekommen sind. Und da ist das «Plagieren» noch nicht dabei.

2012 feierte das Warenhaus LOEB AG in Thun sein Hundertjahr-Jubiläum. Die gesamte LOEB Direktion und die Belegschaft feierten (unter anderem) diesen Anlass mit einer Schifffahrt auf dem Brienzersee. Selbstverständlich durften dabei die Brienzer Seepiraten nicht fehlen. Leider verhinderte der hohe Wellengang damals die geplante Entführung des Seniorchefs François Loeb. Für die Jubiläumsgesellschaft war der Piraten-Überfall eine gelungene und tolle Überraschung und wurde auch mit grossem Applaus verdankt.

Natürlich sind nur einige Beispiele von geschichtsträchtigen Engagements und Aktionen im langjährigen Bestehen der Brienzer Seepiraten hier vermerkt. Zum Beispiel waren da auch die Zusammenkünfte im Winter auf der Axalp mit Adi Albershardt und seiner Finkenwarder Speeldeel aus Hamburg. Das Liederrepertoire der Brienzer Seepiraten mit den vielen bekannten Seemannsliedern war für die Hamburger ein richtiges Heimspiel.

Ja, es waren unvergessliche Erlebnisse, welche die Piraten gemeinsam geniessen durften. Nachdem nun das durchschnittliche Alter der Piratengesellschaft auf mehr als siebzig Jahre angestiegen ist, frönen sie ihrem Hobby nur noch einmal im Jahr mit Schnitzel, Pommes-frites und einem oder zwei «Grossen» (oft sogar alkoholfrei). Seemannslieder werden dann immer noch gesungen, nur nicht mehr so schön und so laut.

Zum Schluss noch die Namen der Kerle, welche viele Jahre bei den Piraten, neben den bereits erwähnten Gründungsmitglieder, mitgemacht haben. Es sind dies in alphabetischer Reihenfolge:

Balsiger Jürg, Binz Peter, Bühlmann Ruedi, Ernst Kurt, Hofmann Willy, Linder (Stucki) Hans, Michel (Becks) Ernst, Rubi Peter, Rubi Toni, Santschi Rolf, Schär Hanspeter, Stähli Peter, Stähli Ueli, Thomann Fritz, Wettach Ruedi.

Text: Pirat Ueli Stähli / Juli 2025

Hansjörg Ernst
Toni Rubi
Fritz Thomann

Ernst Michel (ds'Becks Aschi)

René Wetzel

Ruedi Wettach

Willy Hofmann

Gerhard Hunziker

Peter Stähli

Ueli Stähli

Heinz Kehrli

Ruedi Bühlmann

Ruedi Huber

Hanspeter Schär

Hans Linder (Stucki Hans)

Gerhard Ernst

Zurück

Lengziitiga

Ein Gedicht von Erich Fischer

Meine Grosseltern Hans (Mühlibach Hansli) und Gritli Eggler

Lotti Schaller (Jg. 1948) hat einige schöne Erinnerungen an die Ferien bei ihren Grosseltern in Brienz notiert.

Auswandern

Für das Thema Auswandern scheinen unsere «Träpplig Suecher» fast zu jung. Trotzdem wussten Peter Fischer-Rahm, Trudi Steiner und Vreni Fischer-Fuchs einiges zu erzählen und Fränzi Feusi und Rose-Marie Flück hörten gespannt zu. Zudem konnte Silvia Thöni-Fischer als Burgerschreiberin von ihren Erfahrungen berichten, wenn sich Nachkommen von Auswanderern nach ihren Vorfahren bei ihr erkundigten.

Hüterbubengeschichten von der Planalp

Im Dezember 2023 hat Peter Schild seine Erinnerungen an die Hüterbubenzeit auf der Planalp und an Obristen aufgeschrieben. Entstanden ist ein Bericht mit vielen Eindrücken über das Leben auf der Alp als Hüterbube. Die Zeit in der Natur mit den Tieren war eine Schule fürs Leben.

Sie waren die Letzten ihrer Art

In den späten 1940er-Jahren hüteten Hanspeter Flück und seine Schulfreunde rund 40 Ziegen fürs ganze Dorf. Ein Bericht von Hans Heimann, erschienen im Schweizer Bauer am 24. Mai 2025.

Wie eine Linie der Familie Flück zum Übernamen «Bitzer» kam

Es ist ja allgemein bekannt, dass der Familienname Flück in Brienz so häufig ist, dass es mindestens 16 Übernamen gibt, damit man die einzelnen Linien unterscheiden kann. Thomas Dietrich ging auf Spurensuche, nach dem Ursprung des Übernamens «Bitzer».

Wie eine Linie der Familie Wyss zum Übernamen «Cäsarler» kam

Dass in Brienz Mitte des 19. Jahrhunderts ein Kind auf den Namen Cäsar getauft wird, ist eigentlich undenkbar. Aber genau das geschieht 1851, als die 22-jährige Elisabeth Flück einen Sohn zur Welt bringt. Thomas Dietrich hat verschiedene Recherchen zum Übernamen «Cäsarler» unternommen und die Erkenntnisse zu einem Dokument zusammengestellt.