Wie alles begann...

Von Silvia Thöni-Fischer, Burgerschreiberin

Mein Vater, Peter Fischer-Rahm, liebte schon immer Traditionen. Nach seiner Pensionierung fand er dann auch endlich Zeit, sich unseren Estrich vorzunehmen. In seinem Haus aus dem Jahre 1584 fand er viele Schätze. Zahlreiche alte Dokumente hat er nun bereits übersetzt resp. transkribiert.

So entstand meine Liebe zu alten Dokumenten, Fotos, und in der Folge zur Dorfgeschichte mit all ihren Charakterköpfen, Sorgen, Nöten, aber auch Freuden und lustigen Anekdoten.

Die eigentliche Initialzündung für dieses Projekt kam, als meine Mutter im 2017 nebenbei erwähnte, dass ein älterer Mann gestorben sei und man nun seine Wohnung räumen würde. Eine grosse Mulde stehe vor dem Haus und alles werde entsorgt. Der Gedanke, dass unter Umständen viele alte Dokumente und Fotos unwiederbringlich verloren gehen, liess mir keine Ruhe mehr. Das darf nicht sein!

Wie könnte man altes Wissen bewahren und weiterleben lassen? Von dieser Idee getrieben war eigentlich schon bald klar, dass ich diesen Gedanken mit dem Burgerrat besprechen musste. In Paul Michel und Bernhard Mathyer fand ich zwei Mitglieder, die sich von meiner Begeisterung anstecken liessen. Ich erhielt die Erlaubnis, ein Projekt auszuarbeiten und es dem Burgerrat vorzulegen. Der Burgerrat unterstützte das Vorhaben einstimmig!

Walo Fuchs half mir mit vielen guten Ideen und praktischen Tipps, wie z.B. ein Fotoarchiv aufgebaut werden könnte. Zudem durfte ich im März 2018 einen ganzen Tag im Staatsarchiv und in der Burger-Bibliothek in Bern den Profis über die Schulter schauen und wurde in ihre Arbeit eingeführt.
Als Vorbild diente uns auch der Heimatverein Giswil. Dieser existiert bereits seit 20 Jahren und erfasst sehr erfolgreich die jüngere Dorfgeschichte (Jüngere Geschichte umfasst das, woran sich die jetzt lebenden Personen noch erinnern können oder was sie von ihren Eltern/Grosseltern erfahren haben). Mein Vater und ich trafen uns mit dem Präsidenten und so konnten wir von seiner reichhaltigen Erfahrung profitieren.

Als erste, grössere Aktion organisierten wir im August und September 2018 eine Ausstellung alter Postkarten in der Burger Galerie. Wir stellten fest, dass das Interesse an der Vergangenheit gross ist. Die Ausstellung zog viel Publikum, Jung und Alt, in ihren Bann. Wir erhielten viele positive Rückmeldungen.
Anlässlich einer Zusammenkunft der ehemaligen Burgerräte und Burgerrätinnen kam der Gedanke auf, dass man eine Gruppe älterer Dorfbewohner einladen könnte, um sie aus ihrem Leben erzählen zu lassen und ihnen das Wissen über vergangene Zeiten, aber auch spezielle Dorfbegebenheiten und Anekdoten zu entlocken.

Der Burgerrat beschloss nun bereits im Oktober 2018, das Projekt «Träpplig-Suecher Gruppe» (Träpplige = Spuren) zur Sammlung und Sicherung von altem Wissen zu starten. Am 06.02.2019 fand die erste Zusammenkunft statt. Mein Vater, Walo Fuchs und ich stellten eine ganze Liste mit Themen zusammen, welche von der «Träpplig-Suecher Gruppe» diskutiert und dazu Wissen gesammelt werden konnte. Bernhard Mathyer leitete jeweils diese Treffen, welche bis zur Corona-Pandemie jeden Monat im Winterhalbjahr einmal stattfanden.

Grosszügigerweise erhielten wir eines Tages das Angebot von zwei Personen, leihweise eine riesige Anzahl von Fotos und alten Zeitungsausschnitten sichten zu dürfen. Nun war klar, dass wir das Ganze nicht mehr nebenbei bewältigen konnten.

Als Glücksfall erwies sich, dass wir in Zora Herren eine Person fanden, die bereit war, ein Konzept auszuarbeiten, wie man die zunehmende Menge von Fotos, Dokumenten und mündlichen Überlieferungen älterer Dorfbewohner verarbeiten und der breiten Öffentlichkeit zugänglich machen kann, in Papierform aber auch digital.

Das Projekt «Brienzer-Dorfgeschichte» wird nun mit viel Engagement und Freude unter der kompetenten Leitung von Zora Herren, zusammen mit einigen Helferinnen und Helfern, in die Zukunft geführt.

Ich bin dem Burgerrat, Paul Michel als Ratspräsidenten und Bernhard Mathyer als jetzigem Burgergemeindepräsidenten sehr dankbar, dass sie das Projekt nicht einfach als eine verrückte Idee der Burgerschreiberin und ihrem Vater schubladisierten, sondern sich begeistern liessen und den Startschuss zu diesem bereits jetzt erfolgreichen Projekt ermöglichten. Wir freuen uns riesig auf das, was noch alles aus der Dorfgeschichte der letzten 100 Jahre auftauchen wird!

Wenn einer sein Wissen für sich behält und nicht weitergibt, nimmt er dieses eines Tages mit ins Grab. Was haben wir Nachkommen davon? Das Wissen um die Dorfgeschichte hilft mit, ein lebendiges Dorf zu verstehen, mitzugestalten und in die Zukunft zu führen.

Silvia Thöni-Fischer, Burgerschreiberin